Softwarepatente

Kommerzialisierung der Informatik-Forschung

Dieser Artikel erschien 2001 in der Fachschaftszeitschrift “Einstein”

Patent-Theorie

Das Patentwesen entstand, um Erfindungen vor Nachahmungen zu schützen und so dem ursprünglichen Erfinder eine angemessene Bezahlung zu sichern. Um die Forschung voranzutreiben zwingt das Patentwesen aber gleichzeitig den Erfinder, seine Erfindung offenzulegen (um den Schutz zu erhalten) - dadurch wird seine Erfindung für andere Erfinder zugänglich und erweiterbar.

Patent-Realität

Leider erfüllt das Patentwesen diese Erwartungen nur sehr eingeschränkt, es ist viel mehr ein juristisches Werkzeug (Spielzeug?) geworden um andere Firmen zu blockieren und Monopole zu sichern, und solange die Patentierung einer Erfindung läuft (Dauer derzeit 2 Jahre [für das Eintragen]) ist die Erfindung nicht zugänglich und daher nicht für die weitere Forschung verfügbar, was die Forschung stark bremst.

Arbeitet man mit einem sehr stark vereinfachten Modell, so erfüllt der Patentschutz durchaus seine Erwartungen, erweitert man das Modell aber, so stellt man fest das der Patentschutz die Forschung hemmt - was mitunter sogar zu niedrigeren Einnahmen für den Patentinhaber führt. (siehe Verweise)

Patente in der High-Tech-Industrie

Die Industrie selbst hat bereits erkannt, dass das Patentsystem nicht optimal ist:

Die meisten Unternehmen geben bei Umfragen an, ihre Patente nur “defensiv” zu nutzen, dass heisst um sich damit vor Patentklagen anderer Firmen zu schützen. Des weiteren ist ein sogenanntes “Cross-Licensing” üblich. Hierbei werden gegen eine geringe Lizenzgebühr sämtliche Patente des Unternehmens, meistens inklusive zukünftiger Patente, lizensiert; dieses erfolgt gegenseitig - zwischen den Vertragspartnern ist der Patenschutz also praktisch aufgehoben.

In der Halbleiterindustrie wurde auch bisher kein Markteintritt einer neuen Firma durch Patente verhindert. [Ham Hall 1999]

Vorteile einer “patentfreien” Situation

Welche Vorteile ergeben sich also aus einer Aufhebung des Patentschutzes (gegebenenfalls zwischen Vertragspartnern)?

  • Gemeinsame Verbesserung und Weiterentwicklung: Entwickelt das “nachahmende” Unternehmen die Erfindung weiter und verbessert sie, so profitiert davon automatisch auch das Unternehmen das die Erfindung ursprünglich gemacht hat; durch das bereits vorhandene Know-How ist es für das erste Unternehmen viel einfacher die Verbesserungen zu übernehmen, als für das zweite Unternehmen, die ursprüngliche Erfindung zu kopieren
  • Bessere Verbreitung: Dadurch, dass die Erfindung von mehreren Unternehmen eingesetzt wird, wird sie zum Standard, die Chancen dass sich die Entwicklung gegen andere Standards durchsetzen kann ist höher, das Risiko einen “Flop” zu entwickeln und in diesen zu investieren ist dadurch geringer
  • Bessere Qualität: dadurch dass die Erfindungen von allen Unternehmen eingesetzt werden können, haben die Produkte aller Unternehmen eine höhere Qualität
  • Bessere Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten: Da auf eine große Menge von Entwicklungen zurückgegriffen werden kann, auf die neue Entwicklungen aufsetzen können, besteht kein Interesse daran, die Erfingungen anderer Unternehmen zu umgehen

Warum also IT-Patente?

Warum fordern also viele Informatiker den bereits bestehenden Schutz durch das Urheberrecht um einen Schutz durch Patente zu erweitern? Will die Informatik damit “professioneller” wirken? Wollen hier einzelne Personen maximalen Profit aus ihrer Arbeit “herausschlagen”?

Die einzigen die von IT-Patenten wirklich profitieren werden, sind die Patentanwälte.

Natürlich haben junge Softwarefirmen die oft auf einzelnen Software-Entwicklungen basieren Angst ohne Patentschutz keine Unternehmensgrundlage zu haben. Diese dürfen aber auch nicht vergessen, dass, solange sie nicht die Quelltexte veröffentlichen, es für die Konkurrenz ähnlich teuer sein dürfte, die Algorithmen “nachzuahmen”, wie es für das ursprüngliche Unternehmen war, die Algorithmen zu erfinden. Desweiteren haben die derzeitigen “Marktführer” wie Microsoft, Oracle, SAP etc. ihre Position ohne Patente erreicht.

Sie dürfen aber vor allem nicht vergessen, dass auch die anderen Unternehmen dann über Softwarepatente verfügen werden, auf die sie ihrerseits angewiesen sind - und die sie vielleicht nur über “Cross-Licensing” lizensieren können. Und was für Wettbewerbsverzerrungen, unter denen typischerweise die kleinen Unternehmen leiden, auftreten, zeigt das “Vorbild” USA: hier sorgen “Trivialpatente” wie das viel zitierte “1-Click”-Verfahren von amazon.com für Probleme.

Nachteile von Patenten

  • Verzögerung bei der Forschung: Bis ein Patent eingetragen ist (derzeit 2 Jahre) werden die zu Grunde legenden Ideen nicht veröffentlicht - sind also für weitere Forschungen nicht verfügbar
  • Veraltete Patente: In der Informatik können Patente wesentlich schneller überholt und veraltet sein; hier sind 2 Jahre [bis das Patent eingetragen ist] eine lange Zeitspanne
  • Kosten: Die Kosten für Patentrecherche, -anwälte, -lizenzen, -anmeldungen schlagen zusätzlich zu Buche - und werden an den Endverbraucher weitergegeben
  • Schlechtere Software: Statt die lizenzpflichtigen und daher teureren Lösungen zu wählen, werden minderwertige Lösungen verwendet die keine oder geringerere Kosten erzeugen
  • Monopole: Patente ermöglichen Monopole, insbesondere für grosße Firmen in der Branche, die nicht von anderen Unternehmen gezwungen werden können, akzeptable Lizenzen zu vergeben

Weiterführende Informationen

Weiterführende Informationen gibt es gesammelt unter http://swpat.ffii.org/.

Empfehlenswert ist die von zwei MIT-Professoren durchgeführte Wirkungsstudie “Sequentielle Innovation, Patente und Nachahmung” (Deutsche Übersetzung und weiterführende Informationen)

Und unter http://swpat.ffii.org/vreji/minra/siskude.html finden sich zahlreiche Wirkungsstudien über das Patentsystem.

Erich Schubert

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